Die gleiche Sprache sprechen

 

In diesem spannenden Interview erklärt Dr. Susanne Koblitz, Head of Charging Technology bei IONITY, wie wichtig die Interoperatibilität in der Ladeinfrastruktur ist und welchen Herausforderungen sie und ihr Team sich täglich stellen müssen.

Dr. Susanne Koblitz, 
Head of Charging Technology, IONITY


I wie Interoperatibilität

Sprache erleichtert die Verständigung zwischen Menschen. Erwartungen, Wünsche, Hoffnungen und Gedanken erfordern die richtigen Worte, damit eine einwandfreie Kommunikation zustande kommt. Das gleiche gilt für moderne Maschinen. Wenn diese Maschinen kompatibel miteinander sind, ganz unabhängig davon, wer sie gebaut hat, nennt man das „Interoperatibilität“. Eine sperrige Bezeichnung für die fließende Kommunikation zwischen technischen Geräten, bei der kein Raum für Missverständnisse bleiben darf.

Interoperatibiltität und IONITY

In unserem Fall besteht die Herausforderung in der Interoperatibilität im Zusammenhang mit der Ladeinfrastruktur von IONITY. Der erste Teil dieses Puzzles ist das sogenannte CCS, das Combined Charging System, das die physische Schnittstelle zwischen E-Fahrzeugen und IONITY vereinheitlicht. Der zweite Teil ist die Software selbst. Während alle Elektrofahrzeuge die gleiche offizielle Sprache sprechen, so hat doch jedes seinen ganz eigenen Dialekt. Diesen muss das IONITY-System lernen.
Dr. Susanne Koblitz, Head of Charging Technology, ist bei IONITY dafür verantwortlich, dass unser System all diese Dialekte perfekt beherrscht. In unserem Interview beantwortet sie alle Fragen rund um die Themen Kompatibilität und Interoperatibilität – Herausforderungen, denen sich IONITY täglich stellen muss.


Frau Dr. Koblitz, was ist Ihre wichtigste Aufgabe bei IONITY?

Dafür zu sorgen, dass Ladestationen und E-Fahrzeuge harmonisch zusammenarbeiten, damit sich unsere Kunden um nichts kümmern müssen. Das macht etwa 80 Prozent meiner Arbeit aus. Dann gibt es noch Feinheiten, die ebenfalls in meinen Verantwortungsbereich fallen. Dinge wie Zeitvorgaben (wie lange muss ein Kunde auf den Beginn des Ladevorgangs warten), Spannungsniveaus oder Toleranzen für den Stecker, damit er wirklich perfekt in die Steckdose passt. Details machen einen großen Unterschied.

Das ist eine ziemlich große Aufgabe. Wie behalten Sie das alles im Blick?

Das mache ich nicht allein, sondern in Zusammenarbeit mit meinem Hardware-Team. Gemeinsam kümmern wir uns um Tests mit Elektrofahrzeugen, die Back-End-Kommunikation sowie die Kommunikation zwischen Elektrofahrzeug und Ladesäule. Die Hälfte unseres sechsköpfigen Teams konzentriert sich ausschließlich auf Interoperatibilitätsthemen und die Ladesäulen selbst.

Interoperatibilität ist das Schlagwort, wenn es um die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge geht. Warum ist das so?

Beim Laden von Elektrofahrzeugen gibt es so viele Schnittstellen, dass die Interoperatibilität vollständig hergestellt sein muss, damit alles wirklich einwandfrei funktioniert. Zum einen ist da die offensichtliche Schnittstelle zwischen dem Auto und der Ladesäule. Zum anderen ist da aber auch unser Back-End, das in Echtzeit mit anderen Systemen wie beispielsweise den Managed Service Providern kommuniziert. All diese Netzwerke müssen synchronisiert werden und kompatibel sein – sonst entsteht eine Informationslücke.


"Die Industrie hat auf die harte Tour gelernt, dass Interoperabilität in vollem Umfang aufgebaut werden muss."

Das heißt, Sie benötigen Technologieübersetzer, um die sich ständig ändernden Sprachen zu verstehen?

Ja, wir haben Tools, die genau das können: Sie belauschen die Gespräche zwischen dem Elektrofahrzeug und der Ladesäule und zeigen, wo Probleme auftreten könnten. Man nennt sie „Sniffer“. Ein Sniffer ist ein kleines, physisches Tool, das entweder in einem Verbindungsstück zwischen Ladekabel und Stecker oder außen am Ladekabel angebracht ist. Dort hört es die Kommunikation und die unterschiedlichen Dialekte ab und übersetzt diese Nachrichten für uns. Diese Sniffer müssen alle drei bis vier Jahre angepasst und aktualisiert werden, damit sie den festgelegten Standards entsprechen.
 

In dem Moment, in dem der Kunde den Stecker in die Ladebuchse steckt, wird die erste Interoperabilitätsfrage gestellt. Damit die Ladesäule sicher funktioniert, muss der Stecker des Ladekabels an der Ladebuchse des Elektrofahrzeugs einrasten.Wäre es nicht von Vorteil, wenn es nur ein einziges Ladegerät für Elektrofahrzeuge aller Marken gäbe?

Es geht weniger um die unterschiedlichen Produkte als vielmehr um die unterschiedlichen Ladestandards. Im Prinzip sind wir immer noch dabei zu definieren, welcher Ladestandard und welche Technologie den Markt dominieren werden. Sowohl Europa als auch Japan und China haben auf Basis der europäischen Entwicklung eigene Adaptionen vorgenommen. In den Systemen asiatischer Länder sind also immer noch einige CCS-Kommunikationsteile und europäische Steckerteile integriert.
Das Problem ist: Europäische und japanische Entwickler arbeiteten gleichzeitig an einer einzigen Schnittstelle, ohne es zu wissen. Als sie das feststellten, war es allerdings zu spät, diese Schnittstelle zu vereinheitlichen, weil beide bereits in Betrieb waren. Deshalb existieren zwei konkurrierende Standards mit unterschiedlichen Anschlüssen, Ladefunktionen und unterschiedlicher Software. CCS ist der am weitesten verbreitete Standard in Europa. Diesen haben wir übernommen und seine Verbreitung gefördert.

In welcher Phase des Ladevorgangs wird die Interoperatibilität wirksam?

In dem Moment, in dem der Kunde den Stecker in die Ladebuchse steckt, wird die erste Interoperabilitätsfrage gestellt. Damit die Ladesäule sicher funktioniert, muss der Stecker des Ladekabels an der Ladebuchse des Elektrofahrzeugs einrasten. Am Fahrzeug befindet sich ein kleiner Stift, der in den Stecker eingeführt werden muss, damit dieser sicher am Fahrzeug sitzt. Wenn der Stecker zu viel Spiel in der Buchse hat, passt der Stift nicht und der Ladevorgang kann nicht beginnen. Deshalb empfehlen wir unseren Kunden, den Stecker so lang in der Buchse zu halten, bis man das Geräusch des Motors hört, der den Stift an die richtige Stelle bewegt. Im Prinzip versucht das Fahrzeug dann, eine Nadel einzufädeln.

„Interoperatibilität: eine sperrige Bezeichnung für die fließende Kommunikation zwischen technischen Geräten, bei der kein Raum für Missverständnisse bleiben darf. 

Wann kommt die Interoperabilität beim Ladevorgang noch ins Spiel?

Ein weiterer, wichtiger Interoperabilitätspunkt ist die Zahlungsmethode des Kunden an der Ladesäule. Nur wenn ein Vertrag besteht und die entsprechenden IT-Systeme miteinander kommunizieren, kann der Ladevorgang beginnen. Die Komplexität der Bankensysteme wird bewusst aus dem Gebühren-Ökosystem herausgehalten. Deshalb wird die Bezahlung über Mobilitätsdienstleister abgewickelt, bei denen sich die Kunden lediglich authentifizieren müssen und das System erkennt, dass eine Zahlung erfolgte. Es fließt quasi kein Geld durch die Ladesäule. Außerdem ermöglichen wir unseren Kunden mit dem sogenannten „Ad-hoc-Laden“, auch ohne vorher abgeschlossene Verträge oder Mitgliedschaften an unseren Ladesäulen zu laden.

Wäre es nicht sinnvoll, Kreditkartenleser an den Ladesäulen anzubringen?

Das haben wir in Erwägung gezogen, aber die Anforderungen der Bankensysteme für Kreditkartenzahlungen sind von Land zu Land so unterschiedlich, dass sie eine ganz neue Herausforderung an die Interoperatibilität darstellen. Dies würde das ohnehin schon komplexe System noch weiter verkomplizieren. Eine alternative Lösung, die wir vor kurzem getestet haben, ist „Plug and Charge“: Ein Kunde schließt sein Elektrofahrzeug an eine Ladesäule an und startet den Ladevorgang ohne eine bestimmte Mitglieds- oder Zahlkarte. Die Technologie soll den Nutzer identifizieren und die Zahlung mithilfe eines sicheren Kommunikationsprotokolls automatisch abwickeln. Die Herausforderung hierbei ist: Wie gewährleisten wir, dass diese Technologie zuverlässig und sicher ist?

Damit kommen wir zu unserer letzten Frage: Wie behalten Sie bei den verschiedenen Herausforderungen der Interoperatiblilität immer den Überblick?

Indem wir testen, testen und nochmal testen. Wir investieren sehr viel Zeit in dieses Thema und haben sogar ein eigenes Testzentrum entwickelt, in dem wir untersuchen, wie unterschiedliche Fahrzeuge mit unserer Hardware kommunizieren. Wir unterstützen die Branche, indem wir andere Marktteilnehmer in unsere Tests miteinbeziehen. Das Ziel ist, Probleme frühzeitig zu erkennen. Unsere Community spielt dabei eine große Rolle. Das Feedback unserer Kunden fließt in diese Tests mit ein. Das Ergebnis ist ein reibungsloser Ladevorgang an den Ladesäulen von IONITY.

Der IONITY-Test-Truck wird zum Testen unseres Netzwerks verwendet. Er simuliert verschiedene Elektrofahrzeuge und Batterieszenarien, um die Interoperabilität für jedes Elektrofahrzeug mit CCS zu testen.